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Landschaftsökologische Analysen im Königsseeeinzugsgebiet
Landschaftsökologische Analysen im Königsseeeinzugsgebiet
Unter der Annahme, dass Anzeichen von Umweltveränderungen durch den Klimawandel besonders in sensiblen, wenig genutzten Hochgebirgsökosystemen gut erkennbar sind, ist im Einzugsgebiet des Königssees im Nationalpark Berchtesgaden ein landschaftsökologisches Projekt unter dem Titel „Landschaftsökologische Analysen im Königsseeeinzugsgebiet“ (LAKE) durchgeführt worden. Hauptziel war die Erfassung, Darstellung und das Ergründen von Ursachen dieser Umweltveränderungen im Energie- und Stoffhaushalt an Hand ausgewählter Parameter. Ebenso galt es, den Naturschutzaspekt zu beleuchten, der sich aus dem Anspruch von Nationalparks ergibt. Die Fragestellung in diesem Zusammenhang war, ob sich Nutzungs- und Naturschutzinteressen vereinbaren lassen. Als Untersuchungsgebiet wurde der Nationalpark Berchtesgaden ausgewählt, der für diese Fragestellung ideale Vorraussetzungen bietet. Es handelt sich um ein Gebiet welches unter gegenwärtigen Bedingungen eine geringe anthropogene Beeinflussung erfährt. Das Reaktionsverhalten der Landschaft bleibt erklärbar, da es durch wenige Faktoren bestimmt wird. Zur Realisierung dieses Anliegens wurde ein landschaftsökologischer Methodikansatz verwendet. Hauptaugenmerk der Untersuchungen war das Einzugsgebiet des als oligothroph eingestuften Referenzsees Königssee. Vor allem die Untersuchung und der Vergleich der abiotischen Parameter zu einer Studie aus den Jahren 1978-1980 war Teil der Zielstellung. Deshalb wurden im wesentlichen in einem wöchentlichen (im Winter 14-tägigen) Rhythmus Tiefenprofile zu Temperatur bzw. Sauerstoff an zwei verschiedenen Messstellen im Königssee ermittelt und darüber hinaus Wasserproben von den Zuflüssen und vom See selbst genommen. Die Wasserproben wurden dann ionenchromatographisch auf Nitrat, Phosphat, Sulfat und Chlorid untersucht. Festgestellte Umweltveränderungen wurden mit Nutzungserscheinungen in Beziehung gesetzt. Letztere konnten an Hand der Auswertung von vorhandenen Quellen und Befragungen der lokalen Interessenvertreter für Tourismus und Almwirtschaft dargestellt werden. Im Ergebnisteil sind die Zusammenhänge der Reaktion des limnischen Systems Königssee bezüglich seiner abiotischen Faktoren in Zusammenhang mit physischgeographischen Parametern und anthropogenen Einflüssen dargestellt und erläutert. Insbesondere Gründe für die Temperatur- und Sauerstoffverteilung im Seekörper in Zusammenhang mit Windeinwirkung, Strahlung bzw. Lufttemperatur werden aufgezeigt. In Kap. 5.1 erfolgte eine Analyse der Veränderung klimatischer Randparameter. Die Station Bad Reichenhall zeigt in den Tendenzen des Monatsmittelwertes der Lufttemperatur gute Übereinstimmung mit der Region Berchtesgaden. Für Bad Reichenhall konnte eine Erhöhung der Lufttemperatur in den letzten 28 Jahren um ca. 2K festgestellt werden. Die jährliche Gesamtsonnenscheindauer ist im Mittel um 100 Stunden gestiegen. Bezüglich der Veränderungen des Systems durch eine mögliche Klimaveränderung lässt sich zusammenfassend sagen, dass die theoretisch zu erwartenden Veränderungen und Beobachtungen von anderen Autoren in anderen Regionen in limnischen Systemen in Bezug auf die abiotische Komponente durchaus in ähnlicher Form am Königssee zu bestätigen sind, wenn man die Zeiträume von 1978 bis 1980 und 1999 bis Juni 2003 miteinander vergleicht. Der jährliche Wärmeinhalt des Königssees ist durchschnittlich um 10% gestiegen, und dies obgleich die extrem warmen Verhältnisse aus dem Hochsommer 2003 nicht mehr in allen Statistiken berücksichtigt werden konnten. Auch bei den Hypolimniontemperaturen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchschnittlich 0,2 bis 0,3K höhere Messwerte festzustellen. Vor allem die im Rahmen der Klimaveränderung zu erwartenden Verhältnisse zu Stabilität und Schichtung lassen sich am Königssee beobachten: Die Stagnationsphasen haben sich verlängert, und die Zirkulationsphasen sind kürzer geworden. Gleichermaßen ist der Beginn der Stagnation um ca. 11-12 Tage früher im Jahr zu erwarten, und die Auflösung der Schichtung tritt im Durchschnitt ca. 20 Tage später im Jahr ein. Auch eine Verlagerung der Thermokline um ca. 1m in die Tiefe ist erkennbar. Der Schichtungsindex nach SCHMIDT ist bei den monatlichen Werten (April-Dezember) im Durchschnitt um ca. 40% gestiegen. Bislang scheinen die Reaktionen des Umweltsystems durch die festgestellten Umweltveränderungen im Energie- und Stoffhaushalt im Einzugsgebiet weniger auf direkte, im Untersuchungsgebiet zu suchende Einflussfaktoren zurückführen zu sein, als auf überregionale oder gar globale Ursachen. So ist – zumindest unter Betrachtung der ausgewählten Parameter und über den untersuchten, relativ kurzen Zeitraum festzustellen, dass das Umweltsystem in sich trotz des anthropogenen Einflusses tragfähig erscheint. Es lässt sich somit die erfreuliche Aussage treffen, dass es sich bei dem Nationalpark Berchtesgaden um ein Schutzgebiet handelt, welches den an sich selbst gerichteten harten Kriterien seiner Bezeichnung derzeit zwar nicht im vollen Umfang gerecht wird, dennoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine negative Beeinflussung durch regionale anthropogene Ursachen zu befürchten hat. Da in Zukunft möglicherweise die regionalen Auswirkungen von Global Change noch drastischer ablaufen können, muss diese Bewertung unablässig erneuert werden und beispielsweise u. a. an Hand der in dieser Studie ausgewiesenen Parameter beharrlich kontrolliert werden.
Landschaftsökologie, Seeerwärmung, Nationalpark, Klimaänderung, Berchtesgaden
Vetter, Mark
2003
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Vetter, Mark (2003): Landschaftsökologische Analysen im Königsseeeinzugsgebiet. Dissertation, LMU München: Fakultät für Geowissenschaften
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Abstract

Unter der Annahme, dass Anzeichen von Umweltveränderungen durch den Klimawandel besonders in sensiblen, wenig genutzten Hochgebirgsökosystemen gut erkennbar sind, ist im Einzugsgebiet des Königssees im Nationalpark Berchtesgaden ein landschaftsökologisches Projekt unter dem Titel „Landschaftsökologische Analysen im Königsseeeinzugsgebiet“ (LAKE) durchgeführt worden. Hauptziel war die Erfassung, Darstellung und das Ergründen von Ursachen dieser Umweltveränderungen im Energie- und Stoffhaushalt an Hand ausgewählter Parameter. Ebenso galt es, den Naturschutzaspekt zu beleuchten, der sich aus dem Anspruch von Nationalparks ergibt. Die Fragestellung in diesem Zusammenhang war, ob sich Nutzungs- und Naturschutzinteressen vereinbaren lassen. Als Untersuchungsgebiet wurde der Nationalpark Berchtesgaden ausgewählt, der für diese Fragestellung ideale Vorraussetzungen bietet. Es handelt sich um ein Gebiet welches unter gegenwärtigen Bedingungen eine geringe anthropogene Beeinflussung erfährt. Das Reaktionsverhalten der Landschaft bleibt erklärbar, da es durch wenige Faktoren bestimmt wird. Zur Realisierung dieses Anliegens wurde ein landschaftsökologischer Methodikansatz verwendet. Hauptaugenmerk der Untersuchungen war das Einzugsgebiet des als oligothroph eingestuften Referenzsees Königssee. Vor allem die Untersuchung und der Vergleich der abiotischen Parameter zu einer Studie aus den Jahren 1978-1980 war Teil der Zielstellung. Deshalb wurden im wesentlichen in einem wöchentlichen (im Winter 14-tägigen) Rhythmus Tiefenprofile zu Temperatur bzw. Sauerstoff an zwei verschiedenen Messstellen im Königssee ermittelt und darüber hinaus Wasserproben von den Zuflüssen und vom See selbst genommen. Die Wasserproben wurden dann ionenchromatographisch auf Nitrat, Phosphat, Sulfat und Chlorid untersucht. Festgestellte Umweltveränderungen wurden mit Nutzungserscheinungen in Beziehung gesetzt. Letztere konnten an Hand der Auswertung von vorhandenen Quellen und Befragungen der lokalen Interessenvertreter für Tourismus und Almwirtschaft dargestellt werden. Im Ergebnisteil sind die Zusammenhänge der Reaktion des limnischen Systems Königssee bezüglich seiner abiotischen Faktoren in Zusammenhang mit physischgeographischen Parametern und anthropogenen Einflüssen dargestellt und erläutert. Insbesondere Gründe für die Temperatur- und Sauerstoffverteilung im Seekörper in Zusammenhang mit Windeinwirkung, Strahlung bzw. Lufttemperatur werden aufgezeigt. In Kap. 5.1 erfolgte eine Analyse der Veränderung klimatischer Randparameter. Die Station Bad Reichenhall zeigt in den Tendenzen des Monatsmittelwertes der Lufttemperatur gute Übereinstimmung mit der Region Berchtesgaden. Für Bad Reichenhall konnte eine Erhöhung der Lufttemperatur in den letzten 28 Jahren um ca. 2K festgestellt werden. Die jährliche Gesamtsonnenscheindauer ist im Mittel um 100 Stunden gestiegen. Bezüglich der Veränderungen des Systems durch eine mögliche Klimaveränderung lässt sich zusammenfassend sagen, dass die theoretisch zu erwartenden Veränderungen und Beobachtungen von anderen Autoren in anderen Regionen in limnischen Systemen in Bezug auf die abiotische Komponente durchaus in ähnlicher Form am Königssee zu bestätigen sind, wenn man die Zeiträume von 1978 bis 1980 und 1999 bis Juni 2003 miteinander vergleicht. Der jährliche Wärmeinhalt des Königssees ist durchschnittlich um 10% gestiegen, und dies obgleich die extrem warmen Verhältnisse aus dem Hochsommer 2003 nicht mehr in allen Statistiken berücksichtigt werden konnten. Auch bei den Hypolimniontemperaturen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchschnittlich 0,2 bis 0,3K höhere Messwerte festzustellen. Vor allem die im Rahmen der Klimaveränderung zu erwartenden Verhältnisse zu Stabilität und Schichtung lassen sich am Königssee beobachten: Die Stagnationsphasen haben sich verlängert, und die Zirkulationsphasen sind kürzer geworden. Gleichermaßen ist der Beginn der Stagnation um ca. 11-12 Tage früher im Jahr zu erwarten, und die Auflösung der Schichtung tritt im Durchschnitt ca. 20 Tage später im Jahr ein. Auch eine Verlagerung der Thermokline um ca. 1m in die Tiefe ist erkennbar. Der Schichtungsindex nach SCHMIDT ist bei den monatlichen Werten (April-Dezember) im Durchschnitt um ca. 40% gestiegen. Bislang scheinen die Reaktionen des Umweltsystems durch die festgestellten Umweltveränderungen im Energie- und Stoffhaushalt im Einzugsgebiet weniger auf direkte, im Untersuchungsgebiet zu suchende Einflussfaktoren zurückführen zu sein, als auf überregionale oder gar globale Ursachen. So ist – zumindest unter Betrachtung der ausgewählten Parameter und über den untersuchten, relativ kurzen Zeitraum festzustellen, dass das Umweltsystem in sich trotz des anthropogenen Einflusses tragfähig erscheint. Es lässt sich somit die erfreuliche Aussage treffen, dass es sich bei dem Nationalpark Berchtesgaden um ein Schutzgebiet handelt, welches den an sich selbst gerichteten harten Kriterien seiner Bezeichnung derzeit zwar nicht im vollen Umfang gerecht wird, dennoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine negative Beeinflussung durch regionale anthropogene Ursachen zu befürchten hat. Da in Zukunft möglicherweise die regionalen Auswirkungen von Global Change noch drastischer ablaufen können, muss diese Bewertung unablässig erneuert werden und beispielsweise u. a. an Hand der in dieser Studie ausgewiesenen Parameter beharrlich kontrolliert werden.