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Früherkennung von Dysphagien bei Parkinson (IPS). Entwicklung und Validierung eines klinischen Patientenfragebogens (Münchener Dysphagie Test – Parkinson’s Disease, MDT-PD) zur Früherfassung von Schluckstörungen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom sowie Konzeptionierung eines Standards für die parkinsonspezifische klinische und videoendoskopische Dysphagie-Diagnostik
Früherkennung von Dysphagien bei Parkinson (IPS). Entwicklung und Validierung eines klinischen Patientenfragebogens (Münchener Dysphagie Test – Parkinson’s Disease, MDT-PD) zur Früherfassung von Schluckstörungen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom sowie Konzeptionierung eines Standards für die parkinsonspezifische klinische und videoendoskopische Dysphagie-Diagnostik
Kontext: Dysphagien stellen bei Parkinson-Syndromen einen negativen prognostischen Prädiktor für die verbleibende Überlebenszeit dar. Sie führen zu Aspirationen, Aspirationspneumonien, Malnutrition und Dehydration und schränken die Lebensqualität der Patienten massiv ein. Die aktuelle Studienlage weist darauf hin, dass die durchschnittliche Überlebensdauer von Parkinson-Patienten mit manifester Dysphagie bei ein bis zwei Jahren liegt und (Aspirations-) Pneumonien eine der häufigsten Todesursachen sind. Problem: Dysphagien werden in der Regel zu spät erkannt und eine entsprechende Therapie beginnt zumeist erst bei massiveren Schluckstörungen mit Gesundheitsschäden. Standardmäßige Schluckdiagnostiken zur Profilaxe werden bislang nicht durchgeführt und ausreichend valide Screening-Tools, wie etwa Patientenfragebögen zur Evaluierung von Schluckstörungen bei Parkinson-Patienten, fehlen in der klinischen Praxis. Beitrag: Diese Dissertation stellt den 26-Item-umfassenden Münchener Dysphagie Test – Parkinson’s Disease (MDT-PD) vor, ein Screeningverfahren in Form eines klinischen Patientenfragebogens zur Früherkennung von Schluckstörungen und ihrer Graduierung bei idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) einschließlich einer bedienerfreundlichen Web- Applikation zur schnellen und örtlich flexiblen Auswertung (Betriebssystemunterstützung: Windows, Mac OS, iOS, Android u.a.). Daneben werden zwei Befundungsbögen zur standardisierten klinischen und videoendoskopischen Schluck-Diagnostik vorgestellt, welche klar definierte, ordinale Symptom-Rating-Skalen beinhalten. Methoden/ Validation: Der innerhalb drei Phasen und einem Pre-Test entwickelte Fragebogen wurde in einer Studie mit 82 IPS-Probanden unter Ausschluss von vordiagnostizierter Schluckstörung, Demenz oder chronischer Depression evaluiert (m=46, w=36; Ø Alter ± Standardabweichung: 70,9 J. ± 8,7 J.; Ø Erkrankungsdauer nach Erstdiagnose: 11,0 J. ± 6,3 J.; Ø H&Y: 3,3; Ø UPDRS III: 29,5 P. ± 13,3 P.). Als Vergleichsparameter kamen die neu konzipierten Symptomschweregradskalen innerhalb der standardisierten klinischen sowie videoendoskopischen Dysphagie-Diagnostik zum Einsatz. Die klinische Untersuchung bestand aus einem Ruhe-, Reflex- und Funktionsprüfungs-Part sowie einer Schluckproben-Testung; bei der instrumentellen Diagnostik wurde sich an das FEES®-Protokoll angelehnt, welches parkinsonspezifisch weiterentwickelt wurde: Neben der Erhebung funktioneller Parameter wurde sowohl die Gefahr für/ der Grad der laryngealen Penetration/ Aspiration innerhalb der Schlucktestung abgebildet als auch beginnende Dysphagie-Symptomatiken wie posteriores Bolus-Leaking und pharyngeale Residuen sowie Speichel-Akkumulation berücksichtigt und graduell unterschieden. In der klinischen sowie videoendoskopischen Diagnostik (Durchführungen im On-drug-state) wurde die Nahrungsaufnahme mit folgenden Konsistenzen, quantitativ deckungsgleich und in alltagsrelevanter Menge, geprüft: dünnflüssig (90 ml Wasser, blau eingefärbt), fest (1⁄2 Scheibe Mischbrot mit Rinde und Aufstrich, ≈8x7x1cm) und trocken/ bröselig (1 Keks, Ø 5cm) sowie die Einnahme von zwei Tabletten (teilbare ProLiveVita-Fit-Blocktablette, ≈19x8x7 mm; Placebo-Hepa-Lichtenstein, Ø 8mm). Ergebnisse: Der MDT-PD erfüllt die Testgütekriterien der klassischen Testtheorie. Durch die Receiver-Operating-Characteristics (ROC)-Analyse wurden zwei Cut-Offs für die Gruppengrößen nicht auffällig vs. auffällig (3,65) und nicht auffällig vs. aspirationsgefährdet (4,79) ermittelt. Die Diskriminierungsgüte des (nach den Regressions-Koeffizienten) gewichteten MDT-PD-Summenscores ergibt für die Dysphagie-Einteilungen a) unauffällig vs. auffällig eine Sensitivität (Sens) von 82% sowie eine Spezifität (Spez) von 71% (Kreuzvalidierung: Sens 82%/ Spez 62%/ Cut-off 3,62) und b) nicht auffällig vs. aspirationsgefährdet eine Sensitivität von 90% sowie eine Spezifität von 86% (Kreuzvalidierung: Sens 90%/ Spez 81%/ Cut-off 4,75). Für den Zusammenhang zwischen dem Kriterien-Summenscore und dem gewichteten MDT-PD-Summenscore konnte in den Studiendaten eine starke Korrelation mit einem Spearman-Rho Korrelationskoeffizienten von +0,699 (p<0,001) beobachtet werden. Für die Fragebogen-Items des MDT-PD wurde ein Cronbachs-Alpha von 0,913 berechnet, welches auf eine sehr hohe interne Konsistenz hinweist. Die standardisierten Diagnostikbögen (klinisch/ endoskopisch) können Dysphagiologen zur Anwendung und Praxistauglichkeits-Prüfung bereit gestellt werden, welche die Test- Hauptgütekriterien der Objektivität und der Skalierbarkeit, in Teiltestungen der Validität und Reliabilität sowie die Nebengütekriterien erfüllen; die Validierung des Gesamt-Diagnostik- Inventars stellt eine Zukunftsarbeit dar; die Interrater-Reliabilitätsprüfung des endoskopischen Befundbogens wurde bereits begonnen. In den Nebenanalysen ergaben sich moderate positive Korrelationen zwischen Dysphagie und einem höheren Hoehn und Yahr-Grad (Kendall-Tau-b= +0,430 mit p<0,001) sowie einem mittelgradigen UPDRS-III-Wert (p=0,01, Spearman-Rho= +0,479 mit p<0,001); keine statistisch signifikanten Assoziationen ergaben sich für: niedrigen BMI, längere Erkrankungsdauer, Dysarthrophonie und Patientenalter; klinisch relevante Tendenzen in Richtung Dysphagie-Bestehen zeigten sich aber hinsichtlich: verringerter Boluskontrolle, höherem drooling score scale-Wert, kognitiver Beeinträchtigung, schwerer Dysarthrophonie und BMI unterhalb der Altersuntergrenze. Konklusion: Ärzten und Therapeuten wird mit dem MDT-PD ein valides, reliables und praxistaugliches Screening-Tool zur präventiven Dysphagie-Risikoabschätzung sowie Graduierung (nicht auffällig, auffällig, aspirationsgefährdet) von Dysphagien bei IPS- Patienten zur Verfügung gestellt; mit der additionalen Auswertungsoption der Web- Applikation (www.mdt-parkinson.de) soll die Implementierung des MDT-PD in den klinischen Alltag vereinfacht werden. Dem Diagnoseergebnis entsprechend, kann eine weiterführende, apparative Schluckdiagnostik sowie ein früher Behandlungsbeginn zur Erhaltung der Lebensqualität und zur Verhinderung gesundheitsgefährdender Konsequenzen eingeleitet werden. Die Übertragbarkeit auf atypische Parkinson-Syndrome muss noch untersucht werden.
Dysphagie, Schluckstörung, idiopathisches Parkinson Syndrom, Patienten-Fragebogen, Screening
Simons, Janine Anja
2012
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Simons, Janine Anja (2012): Früherkennung von Dysphagien bei Parkinson (IPS): Entwicklung und Validierung eines klinischen Patientenfragebogens (Münchener Dysphagie Test – Parkinson’s Disease, MDT-PD) zur Früherfassung von Schluckstörungen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom sowie Konzeptionierung eines Standards für die parkinsonspezifische klinische und videoendoskopische Dysphagie-Diagnostik. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik
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Abstract

Kontext: Dysphagien stellen bei Parkinson-Syndromen einen negativen prognostischen Prädiktor für die verbleibende Überlebenszeit dar. Sie führen zu Aspirationen, Aspirationspneumonien, Malnutrition und Dehydration und schränken die Lebensqualität der Patienten massiv ein. Die aktuelle Studienlage weist darauf hin, dass die durchschnittliche Überlebensdauer von Parkinson-Patienten mit manifester Dysphagie bei ein bis zwei Jahren liegt und (Aspirations-) Pneumonien eine der häufigsten Todesursachen sind. Problem: Dysphagien werden in der Regel zu spät erkannt und eine entsprechende Therapie beginnt zumeist erst bei massiveren Schluckstörungen mit Gesundheitsschäden. Standardmäßige Schluckdiagnostiken zur Profilaxe werden bislang nicht durchgeführt und ausreichend valide Screening-Tools, wie etwa Patientenfragebögen zur Evaluierung von Schluckstörungen bei Parkinson-Patienten, fehlen in der klinischen Praxis. Beitrag: Diese Dissertation stellt den 26-Item-umfassenden Münchener Dysphagie Test – Parkinson’s Disease (MDT-PD) vor, ein Screeningverfahren in Form eines klinischen Patientenfragebogens zur Früherkennung von Schluckstörungen und ihrer Graduierung bei idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) einschließlich einer bedienerfreundlichen Web- Applikation zur schnellen und örtlich flexiblen Auswertung (Betriebssystemunterstützung: Windows, Mac OS, iOS, Android u.a.). Daneben werden zwei Befundungsbögen zur standardisierten klinischen und videoendoskopischen Schluck-Diagnostik vorgestellt, welche klar definierte, ordinale Symptom-Rating-Skalen beinhalten. Methoden/ Validation: Der innerhalb drei Phasen und einem Pre-Test entwickelte Fragebogen wurde in einer Studie mit 82 IPS-Probanden unter Ausschluss von vordiagnostizierter Schluckstörung, Demenz oder chronischer Depression evaluiert (m=46, w=36; Ø Alter ± Standardabweichung: 70,9 J. ± 8,7 J.; Ø Erkrankungsdauer nach Erstdiagnose: 11,0 J. ± 6,3 J.; Ø H&Y: 3,3; Ø UPDRS III: 29,5 P. ± 13,3 P.). Als Vergleichsparameter kamen die neu konzipierten Symptomschweregradskalen innerhalb der standardisierten klinischen sowie videoendoskopischen Dysphagie-Diagnostik zum Einsatz. Die klinische Untersuchung bestand aus einem Ruhe-, Reflex- und Funktionsprüfungs-Part sowie einer Schluckproben-Testung; bei der instrumentellen Diagnostik wurde sich an das FEES®-Protokoll angelehnt, welches parkinsonspezifisch weiterentwickelt wurde: Neben der Erhebung funktioneller Parameter wurde sowohl die Gefahr für/ der Grad der laryngealen Penetration/ Aspiration innerhalb der Schlucktestung abgebildet als auch beginnende Dysphagie-Symptomatiken wie posteriores Bolus-Leaking und pharyngeale Residuen sowie Speichel-Akkumulation berücksichtigt und graduell unterschieden. In der klinischen sowie videoendoskopischen Diagnostik (Durchführungen im On-drug-state) wurde die Nahrungsaufnahme mit folgenden Konsistenzen, quantitativ deckungsgleich und in alltagsrelevanter Menge, geprüft: dünnflüssig (90 ml Wasser, blau eingefärbt), fest (1⁄2 Scheibe Mischbrot mit Rinde und Aufstrich, ≈8x7x1cm) und trocken/ bröselig (1 Keks, Ø 5cm) sowie die Einnahme von zwei Tabletten (teilbare ProLiveVita-Fit-Blocktablette, ≈19x8x7 mm; Placebo-Hepa-Lichtenstein, Ø 8mm). Ergebnisse: Der MDT-PD erfüllt die Testgütekriterien der klassischen Testtheorie. Durch die Receiver-Operating-Characteristics (ROC)-Analyse wurden zwei Cut-Offs für die Gruppengrößen nicht auffällig vs. auffällig (3,65) und nicht auffällig vs. aspirationsgefährdet (4,79) ermittelt. Die Diskriminierungsgüte des (nach den Regressions-Koeffizienten) gewichteten MDT-PD-Summenscores ergibt für die Dysphagie-Einteilungen a) unauffällig vs. auffällig eine Sensitivität (Sens) von 82% sowie eine Spezifität (Spez) von 71% (Kreuzvalidierung: Sens 82%/ Spez 62%/ Cut-off 3,62) und b) nicht auffällig vs. aspirationsgefährdet eine Sensitivität von 90% sowie eine Spezifität von 86% (Kreuzvalidierung: Sens 90%/ Spez 81%/ Cut-off 4,75). Für den Zusammenhang zwischen dem Kriterien-Summenscore und dem gewichteten MDT-PD-Summenscore konnte in den Studiendaten eine starke Korrelation mit einem Spearman-Rho Korrelationskoeffizienten von +0,699 (p<0,001) beobachtet werden. Für die Fragebogen-Items des MDT-PD wurde ein Cronbachs-Alpha von 0,913 berechnet, welches auf eine sehr hohe interne Konsistenz hinweist. Die standardisierten Diagnostikbögen (klinisch/ endoskopisch) können Dysphagiologen zur Anwendung und Praxistauglichkeits-Prüfung bereit gestellt werden, welche die Test- Hauptgütekriterien der Objektivität und der Skalierbarkeit, in Teiltestungen der Validität und Reliabilität sowie die Nebengütekriterien erfüllen; die Validierung des Gesamt-Diagnostik- Inventars stellt eine Zukunftsarbeit dar; die Interrater-Reliabilitätsprüfung des endoskopischen Befundbogens wurde bereits begonnen. In den Nebenanalysen ergaben sich moderate positive Korrelationen zwischen Dysphagie und einem höheren Hoehn und Yahr-Grad (Kendall-Tau-b= +0,430 mit p<0,001) sowie einem mittelgradigen UPDRS-III-Wert (p=0,01, Spearman-Rho= +0,479 mit p<0,001); keine statistisch signifikanten Assoziationen ergaben sich für: niedrigen BMI, längere Erkrankungsdauer, Dysarthrophonie und Patientenalter; klinisch relevante Tendenzen in Richtung Dysphagie-Bestehen zeigten sich aber hinsichtlich: verringerter Boluskontrolle, höherem drooling score scale-Wert, kognitiver Beeinträchtigung, schwerer Dysarthrophonie und BMI unterhalb der Altersuntergrenze. Konklusion: Ärzten und Therapeuten wird mit dem MDT-PD ein valides, reliables und praxistaugliches Screening-Tool zur präventiven Dysphagie-Risikoabschätzung sowie Graduierung (nicht auffällig, auffällig, aspirationsgefährdet) von Dysphagien bei IPS- Patienten zur Verfügung gestellt; mit der additionalen Auswertungsoption der Web- Applikation (www.mdt-parkinson.de) soll die Implementierung des MDT-PD in den klinischen Alltag vereinfacht werden. Dem Diagnoseergebnis entsprechend, kann eine weiterführende, apparative Schluckdiagnostik sowie ein früher Behandlungsbeginn zur Erhaltung der Lebensqualität und zur Verhinderung gesundheitsgefährdender Konsequenzen eingeleitet werden. Die Übertragbarkeit auf atypische Parkinson-Syndrome muss noch untersucht werden.