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Etablierung und Validierung eines Tiermodells für Hämophilie-assoziierten Gelenkschmerz
Etablierung und Validierung eines Tiermodells für Hämophilie-assoziierten Gelenkschmerz
Die Hämophilie stellt die häufigste, schwerwiegende hereditäre Hämostasestörung bei Mensch und Tier dar. In Zeiten moderner Therapiemöglichkeiten in der Humanmedizin, in denen lebensbedrohliche Blutungskomplikationen an Bedeutung verlieren und die Lebenserwartung stark ansteigt, rücken die sekundären klinischen Komplikationen in den Vordergrund. Trotz Substitution der fehlenden Gerinnungsfaktoren können spontane Blutungen, die am häufigsten in synovialen Gelenken auftreten, nicht vollständig verhindert werden. Daher stellen degenerative Gelenkveränderungen, die sich infolge wiederholter intraartikulärer Blutungen entwickeln können, die häufigste Morbiditätsursache bei Menschen mit Hämophilie dar. Wie andere degenerative Arthropathien bringt auch die sogenannte hämophile Arthropathie (HA) Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mit sich, die zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können. Aber nicht nur chronische Schmerzen, sondern auch akute Schmerzen, die im Rahmen einer akuten intraartikulären Blutung auftreten, spielen eine große Rolle im Leben eines Hämophilen. Trotz dieser enormen Bedeutung von Gelenkschmerzen ist dieser Aspekt bisher nur wenig wissenschaftlich untersucht worden. Etablierte in vivo-Modelle beschränken sich in erster Linie auf die Untersuchung entzündlicher und degenerativer Gelenkveränderungen. Ziel dieser Arbeit war es daher, den Einfluss von intraartikulärem Blut auf das schmerz-assoziierte Verhalten zu untersuchen. Hierfür wurde das bereits etablierte Modell der intraartikulären autologen Vollblut-Injektion ins Kniegelenk der Ratte zugrunde gelegt und die injizierten Tiere hinsichtlich des schmerz-assoziierten sowie des motorischen Verhaltens untersucht. Zudem erfolgte am Versuchsende eine histopathologische Befundung der Kniegelenke. Als Kontrolle dienten Ratten, denen ein äquivalentes Volumen physiologischer Kochsalzlösung intraartikulär injiziert wurde. Um der HA des Menschen sehr nahekommende Veränderungen hervorzurufen, erfolgte die intraartikuläre Blut-Injektion mehrmals hintereinander. Zur Abgrenzung dieser Ergebnisse von einmaligen Blutungsereignissen, wie sie auch bei nicht-hämophilen Menschen im Zuge eines Traumas vorkommen können, erfolgten auch einmalige Vollblut-Injektionen. Des Weiteren wurde der intraartikuläre Effekt einzelner Blutbestandteile untersucht. Im Zuge der wiederholten autologen Vollblut-Injektion konnten am Versuchstier Veränderungen des schmerz-assoziierten Verhaltens beobachtet werden, die der klinischen Manifestation von Gelenkblutungen beim Hämophilen ähneln. Hervorzuheben sind hierbei die Ausbildung einer primären Hyperalgesie, das Auftreten von Lahmheiten sowie die Entwicklung von klinischen Entzündungsanzeichen an der injizierten Extremität. Eine einmalige Injektion führte dagegen zu keinen signifikanten Veränderungen bei diesen Untersuchungsparametern. Die mehrmalige Injektion von Vollblut hatte sowohl auf das schmerz-assoziierte Verhalten als auch auf die histopathologischen Befunde den deutlichsten Effekt. Blutplasma und zelluläre Blutbestandteile waren in ihrer Teilwirkung quantitativ ähnlich, erreichten aber einzeln den Effekt von Vollblut nicht, sondern zeigten etwa halbmaximale Effekte. Offensichtlich sind beide Bestandteile in Vollblut an deren Pathogenese wesentlich beteiligt. Mit dem Versuchsschema der mehrmaligen, intraartikulären autologen Vollblut-Injektion an der Ratte ist es gelungen, erstmalig ein Tiermodell für den Gelenkschmerz bei Hämophilie zu etablieren, das auch der Erprobung neuer Therapieansätze dienen könnte. Zudem können die Ergebnisse dieser Arbeit sowie nachfolgender Arbeiten an diesem Modell möglicherweise einen Beitrag zur weiteren Aufklärung der Pathogenese der HA liefern. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse beruhen in erster Linie auf in ihrer Aussage sehr eingeschränkten in vitro-Studien.
Tiermodell, Hämophilie, Gelenkschmerz, intraartikuläre Injektionen, schmerz-assoziiertes Verhalten
Krucker, Susanne
2012
German
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Krucker, Susanne (2012): Etablierung und Validierung eines Tiermodells für Hämophilie-assoziierten Gelenkschmerz. Dissertation, LMU München: Faculty of Veterinary Medicine
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Abstract

Die Hämophilie stellt die häufigste, schwerwiegende hereditäre Hämostasestörung bei Mensch und Tier dar. In Zeiten moderner Therapiemöglichkeiten in der Humanmedizin, in denen lebensbedrohliche Blutungskomplikationen an Bedeutung verlieren und die Lebenserwartung stark ansteigt, rücken die sekundären klinischen Komplikationen in den Vordergrund. Trotz Substitution der fehlenden Gerinnungsfaktoren können spontane Blutungen, die am häufigsten in synovialen Gelenken auftreten, nicht vollständig verhindert werden. Daher stellen degenerative Gelenkveränderungen, die sich infolge wiederholter intraartikulärer Blutungen entwickeln können, die häufigste Morbiditätsursache bei Menschen mit Hämophilie dar. Wie andere degenerative Arthropathien bringt auch die sogenannte hämophile Arthropathie (HA) Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mit sich, die zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können. Aber nicht nur chronische Schmerzen, sondern auch akute Schmerzen, die im Rahmen einer akuten intraartikulären Blutung auftreten, spielen eine große Rolle im Leben eines Hämophilen. Trotz dieser enormen Bedeutung von Gelenkschmerzen ist dieser Aspekt bisher nur wenig wissenschaftlich untersucht worden. Etablierte in vivo-Modelle beschränken sich in erster Linie auf die Untersuchung entzündlicher und degenerativer Gelenkveränderungen. Ziel dieser Arbeit war es daher, den Einfluss von intraartikulärem Blut auf das schmerz-assoziierte Verhalten zu untersuchen. Hierfür wurde das bereits etablierte Modell der intraartikulären autologen Vollblut-Injektion ins Kniegelenk der Ratte zugrunde gelegt und die injizierten Tiere hinsichtlich des schmerz-assoziierten sowie des motorischen Verhaltens untersucht. Zudem erfolgte am Versuchsende eine histopathologische Befundung der Kniegelenke. Als Kontrolle dienten Ratten, denen ein äquivalentes Volumen physiologischer Kochsalzlösung intraartikulär injiziert wurde. Um der HA des Menschen sehr nahekommende Veränderungen hervorzurufen, erfolgte die intraartikuläre Blut-Injektion mehrmals hintereinander. Zur Abgrenzung dieser Ergebnisse von einmaligen Blutungsereignissen, wie sie auch bei nicht-hämophilen Menschen im Zuge eines Traumas vorkommen können, erfolgten auch einmalige Vollblut-Injektionen. Des Weiteren wurde der intraartikuläre Effekt einzelner Blutbestandteile untersucht. Im Zuge der wiederholten autologen Vollblut-Injektion konnten am Versuchstier Veränderungen des schmerz-assoziierten Verhaltens beobachtet werden, die der klinischen Manifestation von Gelenkblutungen beim Hämophilen ähneln. Hervorzuheben sind hierbei die Ausbildung einer primären Hyperalgesie, das Auftreten von Lahmheiten sowie die Entwicklung von klinischen Entzündungsanzeichen an der injizierten Extremität. Eine einmalige Injektion führte dagegen zu keinen signifikanten Veränderungen bei diesen Untersuchungsparametern. Die mehrmalige Injektion von Vollblut hatte sowohl auf das schmerz-assoziierte Verhalten als auch auf die histopathologischen Befunde den deutlichsten Effekt. Blutplasma und zelluläre Blutbestandteile waren in ihrer Teilwirkung quantitativ ähnlich, erreichten aber einzeln den Effekt von Vollblut nicht, sondern zeigten etwa halbmaximale Effekte. Offensichtlich sind beide Bestandteile in Vollblut an deren Pathogenese wesentlich beteiligt. Mit dem Versuchsschema der mehrmaligen, intraartikulären autologen Vollblut-Injektion an der Ratte ist es gelungen, erstmalig ein Tiermodell für den Gelenkschmerz bei Hämophilie zu etablieren, das auch der Erprobung neuer Therapieansätze dienen könnte. Zudem können die Ergebnisse dieser Arbeit sowie nachfolgender Arbeiten an diesem Modell möglicherweise einen Beitrag zur weiteren Aufklärung der Pathogenese der HA liefern. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse beruhen in erster Linie auf in ihrer Aussage sehr eingeschränkten in vitro-Studien.