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Untersuchung zur Pathophysiologie der experimentellen Pneumokokkenmeningitis an der Ratte. Bedeutung von Granulozyten und mononukleären Zellen
Untersuchung zur Pathophysiologie der experimentellen Pneumokokkenmeningitis an der Ratte. Bedeutung von Granulozyten und mononukleären Zellen
Zusammenfassung Trotz beträchtlicher Fortschritte in der antibiotischen Behandlung bakterieller Erkrankungen blieb der Krankheitsverlauf und die Sterberate der bakteriellen Meningitis, insbesondere der Pneumokokkenmeningitis, innerhalb der letzten Jahre unverändert. Mit der Erkenntnis, daß das Ausmaß der intrakraniellen Entzündung positiv mit dem Verlauf der Erkrankung korreliert, gewann die Frage nach der Rolle der Leukozyten im Rahmen des Krankheitsgeschehens zunehmend an Bedeutung. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, die Bedeutung von Granulozyten, Monozyten und des Zusammenspiels dieser beiden Zellarten im Rahmen der pathophysiologischen Abläufe während der experimentellen Pneumokokkenmeningitis aufzudecken. Insbesondere wurden Veränderungen in den Parametern intrakranieller Druck, Liquorpleozytose und Blut-Hirnschrankenstörung in der Frühphase und im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis untersucht. Hierfür kamen zwei Tiermodelle zur Anwendung: 1) Frühphase der Erkrankung: Hierbei wurde narkotisierten Ratten durch intrazisternale Injektion von Hitze-abgetöteten Pneumokokken (HKP) eine Meningitis induziert. Anschließend wurden über einen Zeitraum von sechs Stunden kontinuierlich Blutdruck, intrakranieller Druck und Temperatur überwacht. Eine Stunde vor Versuchsende erhielten die Tiere 1 ml Evans-blau zur Quantifizierung der Blut-Hirnschrankenstörung intravenös injiziert. Nach Ablauf des Beobachtungszeitraums wurden Liquorproben zur Bestimmung der Zellzahl und Evans-blau-Konzentration und Gehirnproben zur histologischen Aufarbeitung gewonnen. 2) Fortgeschrittenes Stadium der Erkrankung (Spätphase): In diesem Modell wurde die Meningitis mittels transkutaner Injektion von Streptococcus pneumoniae Serotyp 3 in die Cisterna magna ausgelöst. 24 Stunden nach Injektion wurden auch bei diesen Tieren die Leukozytenzahl und Evans-blau Konzentration im Liquor bestimmt sowie Gehirnproben zur weiteren Aufarbeitung gewonnen. Um die Beteiligung der Granulozyten an den pathophysiologischen Veränderungen während der Früh- bzw. Spätphase der bakteriellen Meningitis untersuchen zu können, wurden die Versuchstiere mit einem gegen polymorphkernige Leukozyten gerichteten Antikörper (Rabbit Anti-Rat-PMN-Antikörper) vorbehandelt, wodurch eine nahezu vollständige Depletion der Granulozyten erreicht wurde. Um ebenso die durch Monozyten bedingten Auswirkungen während der Frühphase der Pneumokokkenmeningitis feststellen zu können, wurde eine weitere Gruppe mit λ-Carrageenan vorbehandelt, einer Substanz, deren toxische Wirkung auf mononukleäre Zellen bekannt ist. In einer dritten Gruppe schließlich wurden beide Wirkstoffe in Kombination miteinander verabreicht. Für die Frühphase der Pneumokokkenmeningitis ergaben sich folgende Ergebnisse: 1) Die intrazisternale Gabe von Hitze-abgetöteten Pneumokokken führte im Verlauf von sechs Stunden bei den Ratten zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks, der Liquorleukozytenzahl und zur Störung der Blut-Hirnschrankenfunktion. 2) Die Depletion neutrophiler oder monozytärer Zellen bewirkte bei den Versuchstieren eine signifikante Reduktion der Liquorpleozytose und des intrakraniellen Druckanstieges. Gemessen an der Evans-blau-Extravasation wiesen diese Tiere auch eine geringere Funktionsstörung der Blut-Hirnschranke auf. 3) Bei den zweifach-depletierten Tieren waren diese Ergebnisse noch ausgeprägter. Sie zeigten bzgl. des intrakraniellen Druckanstieges, der Liquorpleozytose und Blut-Hirnschrankenfunktion keinen wesentlichen Unterschied zu unbehandelten Kontrolltieren. Für das fortgeschrittene Stadium der Meningitis zeigte sich folgendes: Nach Depletion granulozytärer Zellen ließ sich auch hier eine deutliche Reduktion des intrakraniellen Druckanstieges, der Liquorpleozytose und der Blut-Hirnschrankenstörung erreichen. Allerdings war diese Reduktion weitaus schwächer ausgeprägt als in den vorangegangenen Untersuchungen. Derzeit liegen noch keine Langzeituntersuchungen zur Wirkdauer des gegen polymorphkernige Leukozyten gerichteten Antikörpers vor. Daher ist nur zu vermuten, daß möglicherweise ein zunehmender Wirkverlust des Antikörpers während des Experiments für diese Diskrepanz verantwortlich sein könnte. Unterstützung findet diese Annahme durch den eindeutig höheren prozentualen Anteil neutrophiler Zellen in Differentialblutbildern von Langzeitversuchen verglichen mit denjenigen der Kurzzeitversuche. Da mit Carrageenan vorbehandelte Tiere zum Teil erhebliche Blutdrucksenkungen im Laufe des Experimentes aufwiesen, war es nicht möglich, diese Substanz in den Langzeitversuchen einzusetzen. Zusammenfassend konnte mit dieser Arbeit gezeigt werden, daß Granulozyten, aber auch Monozyten eine essentielle Rolle im Hinblick auf die Ursachen pathophysiologischer Veränderungen während der Früh- und vermutlich auch der späteren Phase der Pneumokokkenmeningitis spielen. Andere Methoden zur Depletion monozytärer Zellen sollten künftig angewendet werden, um die Auswirkungen einer Monozyten-Depletion auf die fortgeschrittene Phase der Pneumokokkenmeningitis genauer untersuchen zu können. Es kommen verschiedene Mechanismen in Betracht, wie Granulozyten und Monozyten zu diesen Veränderungen führen können: 1) Neutrophile sind als Produzenten gewebezerstörender Faktoren bekannt. Ihr Waffenarsenal umfaßt eine Vielzahl toxischer Metabolite, darunter freie Sauerstoffradikale, Stickstoffmonoxid und Enzyme wie Matrix-Metalloproteinasen. In vorangegangenen Studien wurde bereits die Relevanz dieser Mediatoren für die bakterielle Meningitis belegt (z.B. Pfister et al., 1990 a,b; Koedel et al., 1995; Paul et al., 1998). Ohne Mithilfe anderer Mitglieder des Immunsystems sind Neutrophile nicht fähig zwischen fremden und wirtseigenen Antigenen zu unterscheiden; ihre „Waffen“ richten sich in diesem Fall auch gegen den eigenen Wirt. Frühere Studien zeigten, daß im Liquorraum von einem Komplementmangel ausgegangen werden muß und somit hier der zellulären Abwehr die nötige Unterstützung fehlt, um das richtige Ziel der Zerstörung preiszugeben. 2) Monozyten/Makrophagen gelten als Hauptproduzenten von IL-1 und anderen Chemokinen, die als chemotaktisches Signal für Neutrophile dienen. Sie stellen damit unverzichtbare Komplizen und Vorläufer für granulozytäre Zellen dar, da sie wesentlich an deren Immigration in den Subarachnoidalraum beteiligt sind. Ferner könnten mononukleäre Zellen durch ihre Freisetzung von Glutamat direkt an den auftretenden Schäden beteiligt sein.
Pneumokokkenmeningitis, Inflammation, Tierversuch, Entzündungszellen
Ramersdorfer, Michaela
2002
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Ramersdorfer, Michaela (2002): Untersuchung zur Pathophysiologie der experimentellen Pneumokokkenmeningitis an der Ratte: Bedeutung von Granulozyten und mononukleären Zellen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Zusammenfassung Trotz beträchtlicher Fortschritte in der antibiotischen Behandlung bakterieller Erkrankungen blieb der Krankheitsverlauf und die Sterberate der bakteriellen Meningitis, insbesondere der Pneumokokkenmeningitis, innerhalb der letzten Jahre unverändert. Mit der Erkenntnis, daß das Ausmaß der intrakraniellen Entzündung positiv mit dem Verlauf der Erkrankung korreliert, gewann die Frage nach der Rolle der Leukozyten im Rahmen des Krankheitsgeschehens zunehmend an Bedeutung. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, die Bedeutung von Granulozyten, Monozyten und des Zusammenspiels dieser beiden Zellarten im Rahmen der pathophysiologischen Abläufe während der experimentellen Pneumokokkenmeningitis aufzudecken. Insbesondere wurden Veränderungen in den Parametern intrakranieller Druck, Liquorpleozytose und Blut-Hirnschrankenstörung in der Frühphase und im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis untersucht. Hierfür kamen zwei Tiermodelle zur Anwendung: 1) Frühphase der Erkrankung: Hierbei wurde narkotisierten Ratten durch intrazisternale Injektion von Hitze-abgetöteten Pneumokokken (HKP) eine Meningitis induziert. Anschließend wurden über einen Zeitraum von sechs Stunden kontinuierlich Blutdruck, intrakranieller Druck und Temperatur überwacht. Eine Stunde vor Versuchsende erhielten die Tiere 1 ml Evans-blau zur Quantifizierung der Blut-Hirnschrankenstörung intravenös injiziert. Nach Ablauf des Beobachtungszeitraums wurden Liquorproben zur Bestimmung der Zellzahl und Evans-blau-Konzentration und Gehirnproben zur histologischen Aufarbeitung gewonnen. 2) Fortgeschrittenes Stadium der Erkrankung (Spätphase): In diesem Modell wurde die Meningitis mittels transkutaner Injektion von Streptococcus pneumoniae Serotyp 3 in die Cisterna magna ausgelöst. 24 Stunden nach Injektion wurden auch bei diesen Tieren die Leukozytenzahl und Evans-blau Konzentration im Liquor bestimmt sowie Gehirnproben zur weiteren Aufarbeitung gewonnen. Um die Beteiligung der Granulozyten an den pathophysiologischen Veränderungen während der Früh- bzw. Spätphase der bakteriellen Meningitis untersuchen zu können, wurden die Versuchstiere mit einem gegen polymorphkernige Leukozyten gerichteten Antikörper (Rabbit Anti-Rat-PMN-Antikörper) vorbehandelt, wodurch eine nahezu vollständige Depletion der Granulozyten erreicht wurde. Um ebenso die durch Monozyten bedingten Auswirkungen während der Frühphase der Pneumokokkenmeningitis feststellen zu können, wurde eine weitere Gruppe mit λ-Carrageenan vorbehandelt, einer Substanz, deren toxische Wirkung auf mononukleäre Zellen bekannt ist. In einer dritten Gruppe schließlich wurden beide Wirkstoffe in Kombination miteinander verabreicht. Für die Frühphase der Pneumokokkenmeningitis ergaben sich folgende Ergebnisse: 1) Die intrazisternale Gabe von Hitze-abgetöteten Pneumokokken führte im Verlauf von sechs Stunden bei den Ratten zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks, der Liquorleukozytenzahl und zur Störung der Blut-Hirnschrankenfunktion. 2) Die Depletion neutrophiler oder monozytärer Zellen bewirkte bei den Versuchstieren eine signifikante Reduktion der Liquorpleozytose und des intrakraniellen Druckanstieges. Gemessen an der Evans-blau-Extravasation wiesen diese Tiere auch eine geringere Funktionsstörung der Blut-Hirnschranke auf. 3) Bei den zweifach-depletierten Tieren waren diese Ergebnisse noch ausgeprägter. Sie zeigten bzgl. des intrakraniellen Druckanstieges, der Liquorpleozytose und Blut-Hirnschrankenfunktion keinen wesentlichen Unterschied zu unbehandelten Kontrolltieren. Für das fortgeschrittene Stadium der Meningitis zeigte sich folgendes: Nach Depletion granulozytärer Zellen ließ sich auch hier eine deutliche Reduktion des intrakraniellen Druckanstieges, der Liquorpleozytose und der Blut-Hirnschrankenstörung erreichen. Allerdings war diese Reduktion weitaus schwächer ausgeprägt als in den vorangegangenen Untersuchungen. Derzeit liegen noch keine Langzeituntersuchungen zur Wirkdauer des gegen polymorphkernige Leukozyten gerichteten Antikörpers vor. Daher ist nur zu vermuten, daß möglicherweise ein zunehmender Wirkverlust des Antikörpers während des Experiments für diese Diskrepanz verantwortlich sein könnte. Unterstützung findet diese Annahme durch den eindeutig höheren prozentualen Anteil neutrophiler Zellen in Differentialblutbildern von Langzeitversuchen verglichen mit denjenigen der Kurzzeitversuche. Da mit Carrageenan vorbehandelte Tiere zum Teil erhebliche Blutdrucksenkungen im Laufe des Experimentes aufwiesen, war es nicht möglich, diese Substanz in den Langzeitversuchen einzusetzen. Zusammenfassend konnte mit dieser Arbeit gezeigt werden, daß Granulozyten, aber auch Monozyten eine essentielle Rolle im Hinblick auf die Ursachen pathophysiologischer Veränderungen während der Früh- und vermutlich auch der späteren Phase der Pneumokokkenmeningitis spielen. Andere Methoden zur Depletion monozytärer Zellen sollten künftig angewendet werden, um die Auswirkungen einer Monozyten-Depletion auf die fortgeschrittene Phase der Pneumokokkenmeningitis genauer untersuchen zu können. Es kommen verschiedene Mechanismen in Betracht, wie Granulozyten und Monozyten zu diesen Veränderungen führen können: 1) Neutrophile sind als Produzenten gewebezerstörender Faktoren bekannt. Ihr Waffenarsenal umfaßt eine Vielzahl toxischer Metabolite, darunter freie Sauerstoffradikale, Stickstoffmonoxid und Enzyme wie Matrix-Metalloproteinasen. In vorangegangenen Studien wurde bereits die Relevanz dieser Mediatoren für die bakterielle Meningitis belegt (z.B. Pfister et al., 1990 a,b; Koedel et al., 1995; Paul et al., 1998). Ohne Mithilfe anderer Mitglieder des Immunsystems sind Neutrophile nicht fähig zwischen fremden und wirtseigenen Antigenen zu unterscheiden; ihre „Waffen“ richten sich in diesem Fall auch gegen den eigenen Wirt. Frühere Studien zeigten, daß im Liquorraum von einem Komplementmangel ausgegangen werden muß und somit hier der zellulären Abwehr die nötige Unterstützung fehlt, um das richtige Ziel der Zerstörung preiszugeben. 2) Monozyten/Makrophagen gelten als Hauptproduzenten von IL-1 und anderen Chemokinen, die als chemotaktisches Signal für Neutrophile dienen. Sie stellen damit unverzichtbare Komplizen und Vorläufer für granulozytäre Zellen dar, da sie wesentlich an deren Immigration in den Subarachnoidalraum beteiligt sind. Ferner könnten mononukleäre Zellen durch ihre Freisetzung von Glutamat direkt an den auftretenden Schäden beteiligt sein.