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Molekulare Grundlagen von Proteinfehlfaltungskrankheiten. Methoden zur Molekulardynamiksimulation umgebungsgesteuerter Modellpeptide
Molekulare Grundlagen von Proteinfehlfaltungskrankheiten. Methoden zur Molekulardynamiksimulation umgebungsgesteuerter Modellpeptide
Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen ist die Fehlfaltung und Aggregation von Proteinen und Peptiden ein wichtiger pathogener Faktor, dessen Ursachen und Mechanismen bis heute größtenteils unbekannt sind. Teilweise entfaltete Zustände der beteiligten Proteine und Peptide, die oftmals Startpunkte der Fehlfaltung bilden, sind mit den gängigen experimentellen Techniken strukturell kaum aufzuklären. Im Gegensatz dazu lassen sich mit Hilfe von Molekulardynamik-(MD)-Simulationen die beteiligten Strukturen im Prinzip mit atomarer Auflösung charakterisieren. Ziel dieser Arbeit war es daher, Methoden zur MD-Simulation von Modellpeptiden zu entwickeln und anzuwenden, um Einsichten in die ersten Schritte der angesprochenen Fehlfaltungsprozesse zu gewinnen. Da die Faltungseigenschaften von Peptiden insbesondere von der Temperatur abhängen, habe ich im ersten Teil meiner Arbeit eine Strategie zur minimalinvasiven Temperaturkontrolle für MD-Simulationen entwickelt. Im Gegensatz zu gängigen Vorgehensweisen werden hierbei die Konformationsübergänge eines Peptids nicht verlangsamt, und das durch die Simulation abgetastete statistische Ensemble bleibt ungestört. Um den Konformationsraum mit der Fehlfaltung assoziierter Peptide effizient abzutasten, muss darüberhinaus auf sogenannte replica-exchange-Techniken zurückgegriffen werden, die durch einen regelmäßigen Konfigurationsaustausch zwischen parallelen Simulationen bei unterschiedlichen Temperaturen eine schnellere Konformationsdynamik des Peptids bewirken. Ein weiterer methodischer Teil meiner Arbeit beschäftigt sich daher mit Regeln zur optimalen Wahl der Temperaturleiter und des Austauschschemas für den Einsatz dieser Techniken. Insbesondere habe ich gezeigt, dass bisher bei der Ableitung entsprechender Regeln von falschen Voraussetzungen ausgegangen wurde, weshalb nur suboptimale Ergebnisse erzielt werden konnten. Aus der mathematischen Analyse des Problems und anhand eines Monte-Carlo-Modells habe ich eine tatsächlich optimale Strategie entwickelt. Schließlich habe ich diese Strategien angewandt um einen Aspekt der Fehlfaltung des Prion-Proteins (PrP) näher zu untersuchen. Ziel einer Reihe von replica-exchange-Simulationen war es, die Stabilität der ersten alpha-Helix (H1) von PrP gegen ihre Entfaltung zu untersuchen. Hierzu wurde ein Modell-Peptid mit einer H1 entsprechenden Sequenz in unterschiedlichen Lösungsmitteln simuliert. Dabei zeigte sich, dass die entsprechende Peptidsequenz in Wasser mehrheitlich keine alpha-helikale Faltung annimmt und vergleichsweise schnell entfaltet, während mit abnehmender Polarität des Lösungsmittels die Stabilität deutlich zunimmt. Damit bestätigt sich eine Hypothese von Hirschberger et al. [Biophys. J. 90, 3908-3918 (2006)] daß H1 für die Fehlfaltung von PrP keine Barriere darstellt, falls dieser Prozess, wie vermutet, als ersten Schritt den Wechsel von H1 von einer schwach in eine stark polare Umgebung beinhaltet.
Proteinfehlfaltung, Prion-Protein, Replica-Echange, Thermostatenalgorithmen
Lingenheil, Martin
2009
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Lingenheil, Martin (2009): Molekulare Grundlagen von Proteinfehlfaltungskrankheiten: Methoden zur Molekulardynamiksimulation umgebungsgesteuerter Modellpeptide. Dissertation, LMU München: Fakultät für Physik
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Abstract

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen ist die Fehlfaltung und Aggregation von Proteinen und Peptiden ein wichtiger pathogener Faktor, dessen Ursachen und Mechanismen bis heute größtenteils unbekannt sind. Teilweise entfaltete Zustände der beteiligten Proteine und Peptide, die oftmals Startpunkte der Fehlfaltung bilden, sind mit den gängigen experimentellen Techniken strukturell kaum aufzuklären. Im Gegensatz dazu lassen sich mit Hilfe von Molekulardynamik-(MD)-Simulationen die beteiligten Strukturen im Prinzip mit atomarer Auflösung charakterisieren. Ziel dieser Arbeit war es daher, Methoden zur MD-Simulation von Modellpeptiden zu entwickeln und anzuwenden, um Einsichten in die ersten Schritte der angesprochenen Fehlfaltungsprozesse zu gewinnen. Da die Faltungseigenschaften von Peptiden insbesondere von der Temperatur abhängen, habe ich im ersten Teil meiner Arbeit eine Strategie zur minimalinvasiven Temperaturkontrolle für MD-Simulationen entwickelt. Im Gegensatz zu gängigen Vorgehensweisen werden hierbei die Konformationsübergänge eines Peptids nicht verlangsamt, und das durch die Simulation abgetastete statistische Ensemble bleibt ungestört. Um den Konformationsraum mit der Fehlfaltung assoziierter Peptide effizient abzutasten, muss darüberhinaus auf sogenannte replica-exchange-Techniken zurückgegriffen werden, die durch einen regelmäßigen Konfigurationsaustausch zwischen parallelen Simulationen bei unterschiedlichen Temperaturen eine schnellere Konformationsdynamik des Peptids bewirken. Ein weiterer methodischer Teil meiner Arbeit beschäftigt sich daher mit Regeln zur optimalen Wahl der Temperaturleiter und des Austauschschemas für den Einsatz dieser Techniken. Insbesondere habe ich gezeigt, dass bisher bei der Ableitung entsprechender Regeln von falschen Voraussetzungen ausgegangen wurde, weshalb nur suboptimale Ergebnisse erzielt werden konnten. Aus der mathematischen Analyse des Problems und anhand eines Monte-Carlo-Modells habe ich eine tatsächlich optimale Strategie entwickelt. Schließlich habe ich diese Strategien angewandt um einen Aspekt der Fehlfaltung des Prion-Proteins (PrP) näher zu untersuchen. Ziel einer Reihe von replica-exchange-Simulationen war es, die Stabilität der ersten alpha-Helix (H1) von PrP gegen ihre Entfaltung zu untersuchen. Hierzu wurde ein Modell-Peptid mit einer H1 entsprechenden Sequenz in unterschiedlichen Lösungsmitteln simuliert. Dabei zeigte sich, dass die entsprechende Peptidsequenz in Wasser mehrheitlich keine alpha-helikale Faltung annimmt und vergleichsweise schnell entfaltet, während mit abnehmender Polarität des Lösungsmittels die Stabilität deutlich zunimmt. Damit bestätigt sich eine Hypothese von Hirschberger et al. [Biophys. J. 90, 3908-3918 (2006)] daß H1 für die Fehlfaltung von PrP keine Barriere darstellt, falls dieser Prozess, wie vermutet, als ersten Schritt den Wechsel von H1 von einer schwach in eine stark polare Umgebung beinhaltet.