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Zur Entwicklung der Tierheilkunde im Chiemgau (1858-1950) anhand der Auswertung von fünf Apothekenbüchern
Zur Entwicklung der Tierheilkunde im Chiemgau (1858-1950) anhand der Auswertung von fünf Apothekenbüchern
Die vorliegende Arbeit wertet fünf Manuale aus der Marien-Apotheke in Prien am Chiemsee aus. Es handelt sich hierbei um Vorschriftensammlungen, die in der Apotheke handschriftlich angefertigt wurden und für den täglichen Gebrauch bestimmt waren. In den Manualen wurden von den Apothekern wirksame Rezepturen für die Anwendung bei Mensch und Tier gesammelt und konnten so von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die fünf Manuale, die durch Vergleich der Handschriften zeitlich eingeordnet werden konnten, sind in einem Zeitraum von ca. hundert Jahren (1858-1950) entstanden. Die Rezepturen für die Behandlung der Tiere wurden Buchstaben getreu in die lateinische Schrift transkribiert und nach Themengebieten geordnet. Die zur Behandlung beschriebenen Arzneistoffe sind im Glossar aufgeführt und die Anwendung sowohl in der damaligen Zeit als auch nach heutigen wissenschaftlichen Gesichtspunkten näher erläutert. Die meisten der in den Manualen aufgelisteten Rezepturen sind für den Menschen bestimmt, werden jedoch in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Die Tierarzneien sind überwiegend für die Behandlung von Rindern und Pferden vorgesehen, des Weiteren finden sich Rezepturen für die Behandlung von Schweinen, Hunden, Schafen und Hühnern. Neben den von den Apothekern erstellten Rezepturen sind viele der Tierarzneien auf verschiedene Laienbehandler aus Prien und den angrenzenden Ortschaften zurückzuführen. Diese waren neben ihrer Tätigkeit als Landwirte zusätzlich als Metzger, Viehhändler oder „Chauffeur“ für einen Tierarzt tätig. In deren Haushalten war verschiedene Fachliteratur wie Anatomiebücher, Tierarzneibücher oder Bücher über Pflanzenheilkunde vorhanden. In den fünf Manualen spiegelt sich die damalige Situation in Bezug auf die tiermedizinische Versorgung auf dem Land deutlich wieder. Die ersten drei Manuale wurden zu einer Zeit verwendet (ca. 1850-1930), in der es kaum eine professionelle tierärztliche Versorgung im Chiemgau gab und enthalten daher sehr viele Tierarzneien. Die Apotheke war die erste Bezugsquelle für diese Arzneien und der Apotheker war ein wichtiger Ansprechpartner für die Landbevölkerung bei gesundheitlichen Problemen ihrer Tiere. Erst ab ca. 1920 gibt es Hinweise auf eine geregelte tierärztliche Betreuung in dieser Region. Dies führte zu einem Rückgang der Bestellungen von Tierarzneien in der Apotheke, was sich deutlich in Manuale 5 zeigt. Die in den Manualen gesammelten Rezepturen weisen nach dem damaligen Stand der Wissenschaft ein beachtliches medizinisches Niveau auf. Ungewöhnlich für diese Zeit ist der hohe medizinische Wissenstand der Laienbehandler über Krankheiten der Tiere und ihre Behandlung mit verschiedenen Arzneistoffen. Sie liefern ein anschauliches Beispiel für eine Heilkunst, die ihr Wissen und Können aus überlieferter und eigener Erfahrung schöpfte. Bei den angewandten Heilmethoden traten die damals noch verbreiteten abergläubischen Handlungen in den Hintergrund. Obwohl die Laienbehandler der Schulmedizin lange Zeit mit Misstrauen und Skepsis begegneten, wurde neben der Anwendung von ererbten und selbsterprobten Rezepten immer häufiger schulmedizinische Fachliteratur zu Rate gezogen. Damit zeigen sich in den fünf Manualen die Auswirkungen der Medizinalreform und die deutlichen Spuren, die sie in Prien und den angrenzenden Ortschaften hinterließ.
Not available
Reuther, Stephani
2007
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Reuther, Stephani (2007): Zur Entwicklung der Tierheilkunde im Chiemgau (1858-1950) anhand der Auswertung von fünf Apothekenbüchern. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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Abstract

Die vorliegende Arbeit wertet fünf Manuale aus der Marien-Apotheke in Prien am Chiemsee aus. Es handelt sich hierbei um Vorschriftensammlungen, die in der Apotheke handschriftlich angefertigt wurden und für den täglichen Gebrauch bestimmt waren. In den Manualen wurden von den Apothekern wirksame Rezepturen für die Anwendung bei Mensch und Tier gesammelt und konnten so von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die fünf Manuale, die durch Vergleich der Handschriften zeitlich eingeordnet werden konnten, sind in einem Zeitraum von ca. hundert Jahren (1858-1950) entstanden. Die Rezepturen für die Behandlung der Tiere wurden Buchstaben getreu in die lateinische Schrift transkribiert und nach Themengebieten geordnet. Die zur Behandlung beschriebenen Arzneistoffe sind im Glossar aufgeführt und die Anwendung sowohl in der damaligen Zeit als auch nach heutigen wissenschaftlichen Gesichtspunkten näher erläutert. Die meisten der in den Manualen aufgelisteten Rezepturen sind für den Menschen bestimmt, werden jedoch in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Die Tierarzneien sind überwiegend für die Behandlung von Rindern und Pferden vorgesehen, des Weiteren finden sich Rezepturen für die Behandlung von Schweinen, Hunden, Schafen und Hühnern. Neben den von den Apothekern erstellten Rezepturen sind viele der Tierarzneien auf verschiedene Laienbehandler aus Prien und den angrenzenden Ortschaften zurückzuführen. Diese waren neben ihrer Tätigkeit als Landwirte zusätzlich als Metzger, Viehhändler oder „Chauffeur“ für einen Tierarzt tätig. In deren Haushalten war verschiedene Fachliteratur wie Anatomiebücher, Tierarzneibücher oder Bücher über Pflanzenheilkunde vorhanden. In den fünf Manualen spiegelt sich die damalige Situation in Bezug auf die tiermedizinische Versorgung auf dem Land deutlich wieder. Die ersten drei Manuale wurden zu einer Zeit verwendet (ca. 1850-1930), in der es kaum eine professionelle tierärztliche Versorgung im Chiemgau gab und enthalten daher sehr viele Tierarzneien. Die Apotheke war die erste Bezugsquelle für diese Arzneien und der Apotheker war ein wichtiger Ansprechpartner für die Landbevölkerung bei gesundheitlichen Problemen ihrer Tiere. Erst ab ca. 1920 gibt es Hinweise auf eine geregelte tierärztliche Betreuung in dieser Region. Dies führte zu einem Rückgang der Bestellungen von Tierarzneien in der Apotheke, was sich deutlich in Manuale 5 zeigt. Die in den Manualen gesammelten Rezepturen weisen nach dem damaligen Stand der Wissenschaft ein beachtliches medizinisches Niveau auf. Ungewöhnlich für diese Zeit ist der hohe medizinische Wissenstand der Laienbehandler über Krankheiten der Tiere und ihre Behandlung mit verschiedenen Arzneistoffen. Sie liefern ein anschauliches Beispiel für eine Heilkunst, die ihr Wissen und Können aus überlieferter und eigener Erfahrung schöpfte. Bei den angewandten Heilmethoden traten die damals noch verbreiteten abergläubischen Handlungen in den Hintergrund. Obwohl die Laienbehandler der Schulmedizin lange Zeit mit Misstrauen und Skepsis begegneten, wurde neben der Anwendung von ererbten und selbsterprobten Rezepten immer häufiger schulmedizinische Fachliteratur zu Rate gezogen. Damit zeigen sich in den fünf Manualen die Auswirkungen der Medizinalreform und die deutlichen Spuren, die sie in Prien und den angrenzenden Ortschaften hinterließ.