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Molekulargenetische Charakterisierung Kongenitaler Myasthener Syndrome
Molekulargenetische Charakterisierung Kongenitaler Myasthener Syndrome
Die kongenitalen myasthenen Syndrome (CMS) bilden klinisch und pathogenetisch eine heterogene Gruppe von relativ seltenen hereditären Erkrankungen des Kindesalters. Sie werden durch unterschiedliche genetische Defekte im Bereich der neuromuskulären Endplatte verursacht und manifestieren sich mit variabler Symptomatik, bei der eine ermüdbare Muskelschwäche das herausragende Kennzeichen ist. Die exakte Klassifizierung eines CMS ist dabei neben dem wissenschaftlichem Interesse auch von klinischer Relevanz, da sich aus ihr für die betroffenen Patienten und ihre Familien unterschiedliche Konsequenzen hinsichtlich Prognose, Vererbbarkeit und pharmakologischer Therapie ergeben. In der vorliegenden Arbeit konnten post- und präsynaptische CMS verursachende genetische Defekte identifiziert werden. Dabei betreffen die meisten der nachgewiesenen Mutationen, analog zu anderen Untersuchungen, die epsilon-Untereinheit des nikotinergen Acetylcholinrezeptors (AChRepsilon). Einige Ergebnisse sind hierbei von besonderem wissenschaftlichem Interesse: Bei einer 1200bp großen Mikrodeletion auf dem ACHRepsilon-Gen handelte sich um die erste chromosomale Deletion, die bei CMS nachgewiesen werden konnte. Eine zusätzliche Mutation in der Promotorregion des ACHRepsilon-Gens (epsilon-154G/A) führt bei dem Patienten zur Manifestation des Krankheitsbilds. Bei einer Mutation an der Spleißakzeptorstelle von Intron 7 im ACHRepsilon-Gen (epsilonIVS7-2A/G), die bei insgesamt fünf Patienten aus drei unabhängigen Familien auftritt, konnte der fehlerhafte Spleißvorgang durch Analyse des resultierenden Transkripts aufgezeigt werden: Exon 7 wird, unter Verlust von Exon 8, direkt an Exon 9 gespleißt, aufgrund einer Leserahmenverschiebung entsteht ein vorzeitiges Stopcodon. Während die meisten Mutationen im ACHRepsilon-Gen nur bei einigen wenigen Patienten nachgewiesen werden, stellt die Mutation epsilon1267delG in der Volksgruppe der Roma die häufigste Ursache für CMS dar. Die relativ große Anzahl von Patienten mit dieser Mutation, die untersucht werden konnte, ermöglichte eine detaillierte Genotyp-Phänotyp-Korrelation. Zukünftig wird eine direkte Testung auf die Mutation epsilon1267delG die Diagnosestellung bei Patienten dieser Volksgruppe deutlich vereinfachen und beschleunigen. Darüber hinaus sollte diskutiert werden, ob aufgrund der hohen Carrier-Frequenz für diese Mutation ein Neugeborenen-Screening für die betroffenen Bevölkerungsgruppen angeboten werden sollte. Bei frühzeitiger Diagnosestellung können rechtzeitig Therapie- und Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden, und bei entsprechender Medikation mit Acetylcholinesterase-Hemmern mögliche Komplikationen, wie Apnoe und plötzlicher Kindstod vermieden werden. Die Haplotypenanalyse von dieser Patienten mit der Mutation epsilon1267delG eröffnet neue Erkenntnisse über Ursprung und Verbreitung des mutierten Alleles in der Romabevölkerung. Es wurde ein Kernhaplotyp identifiziert, der auch bei Patienten aus Indien und Pakistan nachgewiesen werden konnte. Das gemeinsame Auftreten eines solchen Founder-Allels untermauert die, hauptsächlich auf sprachwissenschaftlichen Vergleichen beruhende These, daß die Vorfahren der Roma vom indischen Subkontinent stammen. Weitaus seltener als Mutationen im AChR treten Mutationen auf der präsynaptischen Seite der neuromuskulären Endplatte bei CMS auf. Im Gen für Cholin-Acetyltransferase (ChAT) konnte bei drei Patienten aus zwei unabhängigen Familien eine neue Mutation (CHAT I336T) homozygot nachgewiesen werden sind. Bei allen CHAT I336T Patienten wird, zusätzlich zu der myasthenen Symptomatik von einem, für Mutationen in diesem Gen typischen, gehäuften Auftreten von Apnoen, berichtet. Insgesamt bietet die molekulargenetische Analyse von CMS neben der Bedeutung, die sie für den einzelnen Patienten hat, die Möglichkeit das Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge der neuromuskulären Übertragung zu erweitern.
CMS, Kongenitales Myasthenes Syndrom, Acetylcholin-Rezeptor, Cholin-Acetyltransferase, Roma
Schmidt, Carolin
2004
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Schmidt, Carolin (2004): Molekulargenetische Charakterisierung Kongenitaler Myasthener Syndrome. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die kongenitalen myasthenen Syndrome (CMS) bilden klinisch und pathogenetisch eine heterogene Gruppe von relativ seltenen hereditären Erkrankungen des Kindesalters. Sie werden durch unterschiedliche genetische Defekte im Bereich der neuromuskulären Endplatte verursacht und manifestieren sich mit variabler Symptomatik, bei der eine ermüdbare Muskelschwäche das herausragende Kennzeichen ist. Die exakte Klassifizierung eines CMS ist dabei neben dem wissenschaftlichem Interesse auch von klinischer Relevanz, da sich aus ihr für die betroffenen Patienten und ihre Familien unterschiedliche Konsequenzen hinsichtlich Prognose, Vererbbarkeit und pharmakologischer Therapie ergeben. In der vorliegenden Arbeit konnten post- und präsynaptische CMS verursachende genetische Defekte identifiziert werden. Dabei betreffen die meisten der nachgewiesenen Mutationen, analog zu anderen Untersuchungen, die epsilon-Untereinheit des nikotinergen Acetylcholinrezeptors (AChRepsilon). Einige Ergebnisse sind hierbei von besonderem wissenschaftlichem Interesse: Bei einer 1200bp großen Mikrodeletion auf dem ACHRepsilon-Gen handelte sich um die erste chromosomale Deletion, die bei CMS nachgewiesen werden konnte. Eine zusätzliche Mutation in der Promotorregion des ACHRepsilon-Gens (epsilon-154G/A) führt bei dem Patienten zur Manifestation des Krankheitsbilds. Bei einer Mutation an der Spleißakzeptorstelle von Intron 7 im ACHRepsilon-Gen (epsilonIVS7-2A/G), die bei insgesamt fünf Patienten aus drei unabhängigen Familien auftritt, konnte der fehlerhafte Spleißvorgang durch Analyse des resultierenden Transkripts aufgezeigt werden: Exon 7 wird, unter Verlust von Exon 8, direkt an Exon 9 gespleißt, aufgrund einer Leserahmenverschiebung entsteht ein vorzeitiges Stopcodon. Während die meisten Mutationen im ACHRepsilon-Gen nur bei einigen wenigen Patienten nachgewiesen werden, stellt die Mutation epsilon1267delG in der Volksgruppe der Roma die häufigste Ursache für CMS dar. Die relativ große Anzahl von Patienten mit dieser Mutation, die untersucht werden konnte, ermöglichte eine detaillierte Genotyp-Phänotyp-Korrelation. Zukünftig wird eine direkte Testung auf die Mutation epsilon1267delG die Diagnosestellung bei Patienten dieser Volksgruppe deutlich vereinfachen und beschleunigen. Darüber hinaus sollte diskutiert werden, ob aufgrund der hohen Carrier-Frequenz für diese Mutation ein Neugeborenen-Screening für die betroffenen Bevölkerungsgruppen angeboten werden sollte. Bei frühzeitiger Diagnosestellung können rechtzeitig Therapie- und Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden, und bei entsprechender Medikation mit Acetylcholinesterase-Hemmern mögliche Komplikationen, wie Apnoe und plötzlicher Kindstod vermieden werden. Die Haplotypenanalyse von dieser Patienten mit der Mutation epsilon1267delG eröffnet neue Erkenntnisse über Ursprung und Verbreitung des mutierten Alleles in der Romabevölkerung. Es wurde ein Kernhaplotyp identifiziert, der auch bei Patienten aus Indien und Pakistan nachgewiesen werden konnte. Das gemeinsame Auftreten eines solchen Founder-Allels untermauert die, hauptsächlich auf sprachwissenschaftlichen Vergleichen beruhende These, daß die Vorfahren der Roma vom indischen Subkontinent stammen. Weitaus seltener als Mutationen im AChR treten Mutationen auf der präsynaptischen Seite der neuromuskulären Endplatte bei CMS auf. Im Gen für Cholin-Acetyltransferase (ChAT) konnte bei drei Patienten aus zwei unabhängigen Familien eine neue Mutation (CHAT I336T) homozygot nachgewiesen werden sind. Bei allen CHAT I336T Patienten wird, zusätzlich zu der myasthenen Symptomatik von einem, für Mutationen in diesem Gen typischen, gehäuften Auftreten von Apnoen, berichtet. Insgesamt bietet die molekulargenetische Analyse von CMS neben der Bedeutung, die sie für den einzelnen Patienten hat, die Möglichkeit das Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge der neuromuskulären Übertragung zu erweitern.